Lebenserwartung steigern: Hilft ein Umzug nach Starnberg dabei?
Laut der Wochenzeitschrift Zeit liegt die Lebenserwartung neugeborener Jungs bei 78 Jahren und zwei Monaten und die neugeborener Mädchen bei 83 Jahren und einem Monat. Die Zeitschrift bezieht sich dabei auf eine neue Modellrechnung des Statistischen Bundesamtes, für die sämtliche Sterbefälle von 2012 bis 2014 und weitere Bevölkerungsdaten ausgewertet wurden. Doch was ist mit den älteren Jahrgängen, deren Lebenserwartung unter den genannten Rekordwerten liegt: Kann ein Umzug in die Stadt mit der höchsten Lebenserwartung Deutschlands beitragen, möglichst lange zu leben?
Umzug gefällig?
Die Idee mit dem Umzug nach Starnberg als möglicherweise lebensverlängernde Maßnahme hatte die Zeitschrift „Bunte“. Sie schreibt in ihrer Online-Ausgabe unter der Überschrift „Umzug gefällig?“: „Menschen suchen beständig nach Dingen, die das Leben verlängern. Dabei liegt die Lösung so nahe.“ Im weiteren Text heißt es dann: Die höchste Lebenserwartung hätten die Bewohner im oberbayerischen Starnberg. Im Schnitt würden die Menschen dort 81,3 Jahre alt. München lande mit durchschnittlichen 80,9 Jahren auf dem dritten Platz. Generell scheinen die Menschen vor allem in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen sehr lange zu leben.
Lebenserwartung hängt von wirtschaftlichen Verhältnissen ab
Nun, ganz so einfach ist die Sache nicht. Ein Umzug ins schöne Städtchen Starnberg allein, rund 25 Kilometer südwestlich von München am Nordende des Starnberger Sees gelegen, bringt einem nicht per se ein paar Lebensjahre mehr im Lebenslauf. Vielmehr als von einem Umzug dorthin hängt die Lebenserwartung – und das zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes deutlich – von den Lebensumständen und den diese begründenden Verhältnissen ab. Klar, es geht hier vor allem um finanzielle Verhältnisse, also um verfügbares Einkommen, kurz: um Geld. Die Zeit fasst das hier so zusammen: „Menschen mit wenig Geld sterben in Deutschland durchschnittlich deutlich früher als wohlhabende. Die statistische Lebenserwartung liegt in struktur- und einkommensschwachen Regionen erkennbar niedriger, wie eine Datenauswertung der Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann von der Linkspartei zeigt.“
Genauer aufgedröselt auf die Bundesrepublik ergibt sich bezüglich der Lebenserwartung folgendes Bild: „Mit dem Blick auf die einzelnen Bundesländer haben Männer in Baden-Württemberg mit 79 Jahren und fünf Monaten die höchste Lebenserwartung. Auch bei den Frauen ist das Bundesland Spitze: Sie haben eine Lebenserwartung von knapp 84 Jahren. Die niedrigsten Werte weisen Männer demnach in Sachsen-Anhalt mit 76 Jahren und zwei Monaten sowie Frauen mit 82 Jahren und zwei Monaten im Saarland auf.“ Verknüpft man das mit dem Wissen um reiche und arme Regionen bekommen die Unterschiede in Sachen Lebenserwartung eine soziale Brisanz: „Davon betroffen sind zum Beispiel weite Teile Ostdeutschlands und Teile des Ruhrgebiets, des Saarlands und Frankens. Besonders bei Männern würden die Unterschiede deutlich. Schlusslicht in der Auswertung ist das rheinland-pfälzische Pirmasens mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 73 Jahren bei Männern. Dahinter folgen Hof in Franken, Emden im Ostfriesland sowie Suhl und Eisenach in Thüringen.“
Zusammenhang von Krankheit und sozialem Status ist erwiesen
Dass es jedoch einen Zusammenhang von Krankheit und sozialem Status gebe, halte das Robert Koch-Institut laut dem Zeit-Bericht für erwiesen: „Bei schweren Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes oder chronischen Lungenerkrankung sind sozial Schwächere deutlich häufiger betroffen.“ Die bereits erwähnte Bundestagsabgeordnete Zimmerman (55), die die Daten für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ermittelt habe, so schreibt die Bunte, argumentierte laut der Zeit: „Armut und damit schlechte Gesundheit werden von Generation an Generation weitergegeben. Um das zu ändern, braucht es mehr als Programme zur Gesundheitsprävention. Nötig sei eine umfassende Bekämpfung von Armut und gesundheitsschädlichen Lebensverhältnissen – also etwa durch höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen gerade für Geringverdiener.“
Arme sterben früher als Reiche – auch in Starnberg
Man könnte jetzt zynisch sagen, wer wohlbetucht ist und nach Starnberg umzieht, hat gute Chancen, dort sehr alt zu werden. Aber die hätte er dank seines hohen Einkommens sicher auch woanders. Und wer eh schon zu wenig zum langen Leben hat, dem hilft der Umzug ins reiche Straubing sicher auch nicht dabei, hinten raus ein paar Jahre zu schinden. Die Zeit schreibt: „Die geografische Lage ist nicht die Ursache der unterschiedlichen Lebenserwartung.“ Und die Bunte zieht dann auch das Fazit: „Ein reiner Umzug ist also weniger sinnvoll …“
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